Kreislaufwirtschaft: Der Acht-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit
14.04.2025 | Handwerk-Magazin

Von Irmela Schwab
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Baustoffe, BIM, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit im Bauwesen geht weit über bloße Energieeffizienz hinaus. Für Verena Sommerfeld schießt sie auch mit ein, Ressourcen effizient zu nutzen und dabei Recyclingkonzepte zu integrieren. "Aktuelle Trends zeigen einen wachsenden Einsatz nachhaltiger Materialien wie recyceltem Beton oder Holz aus zertifizierter Forstwirtschaft", sagt Sommerfeld. Als Bauingenieurin verfügt sie über 26 Jahren Erfahrung, und hat sich mit ihrer Firma Sommerfeld Energieberatung auf energieeffizientes Bauen, Sanierungen und Fördermittel spezialisiert.
"Die Kreislaufwirtschaft ermöglicht es, Baustoffe am Ende ihrer Lebensdauer wiederzuverwenden und so Abfall zu minimieren", erklärt die Energieeffizienz-Expertin und erklärt in einem Acht-Punkte-Plan, wie sich durch bewusste Materialwahl und Planung ökologische Vorteile erzielen und langfristig Kosten einsparen lassen.
1. Kreislaufwirtschaft verstehen
Nachhaltigkeit im Bauwesen umfasst mehr als Energieeffizienz. Wer Baumaterialien nach ihrer Nutzungsphase erneut in den Wertstoffkreislauf bringt, spart wertvolle Ressourcen und reduziert die Abfallmengen. Gebäude lassen sich als echte Rohstofflager betrachten, sodass sich Baustoffe wie Metall, Holz und sogar Beton zurückgewinnen und erneut verwenden lassen. Bei diesem Ansatz des Urban Mining kann es sinnvoll sein, bereits in der Planung Recyclingmöglichkeiten mitzudenken. So sind datenbasierte Prozesse wie Building Information Modeling (BIM) und digitale Materialpässe sind gute Werkzeuge, um spätere Rückbau- und Wiederverwendungsszenarien frühzeitig zu planen.
2. Baustoffe wiederverwerten statt entsorgen
Recycelter Beton, Naturbaustoffe wie Holz aus zertifizierter Forstwirtschaft und wiederaufbereitete Metalle sind nur einige Beispiele für zirkuläres Bauen. Best-Practice-Projekte aus den Niederlanden wie zum Beispiel Madaster machen es vor: Baustoffe, die sich problemlos ausbauen und recyceln lassen, werden dokumentiert und später gezielt rückgewonnen. Damit sinkt nicht nur das Abfallaufkommen, sondern auch der Energieverbrauch bei der Neuproduktion. Eine konsequente Wiederverwendung wirkt sich außerdem positiv auf die CO₂-Bilanz aus.
3. Lebenszyklusbetrachtung als Erfolgsfaktor
Tatsächlich entstehen 80 bis 90 Prozent der Gesamtkosten eines Gebäudes erst in der Nutzungsphase (Betrieb, Modernisierung bzw. Sanierung, Teilrückbau) während die Bau- und Abrisskosten nur etwa 10 bis 20 Prozent ausmachen. Eine reine Betrachtung der anfänglichen Baukosten greift daher zu kurz. Mithilfe einer Lebenszyklusbetrachtung (LCA für die Umweltwirkungen und LCC für die Wirtschaftlichkeit) erkennt man, wie sich Entscheidungsvarianten langfristig auswirken. Gerade graue Emissionen, also jene, die bei der Materialherstellung anfallen, machen einen Großteil der CO₂-Bilanz aus.
4. Sanierung statt Abriss
Bei vielen älteren Gebäuden lohnt sich die Frage, ob ein Abriss wirklich nötig ist. Oft ist es sinnvoller, auf bestehende Substanz zu setzen und die vorhandenen Materialien bei einer Sanierung weiterzuverwenden. Dadurch bleiben gewonnene Rohstoffe im Kreislauf, und die CO₂-Bilanz fällt geringer aus als bei einem Neubau. Darüber hinaus lassen sich durch gezielte Sanierung CO₂-Einsparungen von bis zu 40 Prozent und Reduktionen bei den Baukosten von rund neun Prozent erzielen.
5. EU-Regulierungen und Zukunftsperspektiven
Die Europäische Union verschärft die Vorgaben rund um LCA und LCC stetig, etwa durch die Richtlinie 2014/24/EU oder Aktualisierungen der EPBD (Europäische Gebäuderichtlinie). Dänemark geht bereits voran und hat CO₂-Grenzwerte im Gebäudebereich eingeführt, die stufenweise verschärft werden. Deutschland bietet Programme wie den klimafreundlichen Neubau, hinkt aber im internationalen Vergleich noch hinterher. Zertifizierungen mit integriertem Lebenszyklus-Ansatz wie DGNB, BNB oder LEED gewinnen daher stetig an Bedeutung, vor allem im Hinblick auf Finanzierung und Vermarktung.
6. Praktische Planungshilfen für die Kreislaufwirtschaft
Wer nachhaltige Bau- oder Sanierungsprojekte umsetzen möchte, kann auf zahlreiche Tools zurückgreifen. Die ÖKOBAUDAT (oekobaudat.de) liefert verlässliche Daten für Baustoffe und deren CO₂-Emissionen. Das eLCA-Tool (bauteileditor.de) ermöglicht die Berechnung von Ökobilanz und Lebenszykluskosten. EU-Berechnungstools helfen außerdem bei öffentlichen Ausschreibungen, wenn LCC-Kriterien nachgefragt sind. Mit diesen Instrumenten erhalten Planende und Ausführende einen ganzheitlichen Überblick und können früh im Projekt gegensteuern, falls die CO₂-Bilanz oder die Kostenschätzungen zu hoch ausfallen.
7. Ressourcenschonende Planung
Nachhaltigkeit im Bauwesen funktioniert am besten, wenn sie von Beginn an in die Planung integriert wird. Spätere Anpassungen sind meist teurer und technisch schwieriger. Wer bereits in der Konzeptphase auf wiederverwertbare Materialien, flexible Grundrisse und energieeffiziente Lösungen setzt, profitiert von geringeren Betriebskosten und einer soliden Wiederverkaufsperspektive. So kann ein Gebäude später einfacher umgenutzt und erweitert werden, ohne dass große Eingriffe in die Bausubstanz nötig sind.
8. Kreislaufwirtschaft langfristig denken und handeln
Die Zukunft der Bauwirtschaft liegt im Schließen von Materialkreisläufen und in der gezielten Lebenszyklusanalyse. Eine nachhaltige Planung senkt die CO₂-Emissionen, spart Ressourcen und bringt den Handwerksbetrieben neue Geschäftsfelder. Zirkuläres Bauen, recycelte Baustoffe und eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus zahlen sich aus. Wer heute nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch langfristige Nutzungsszenarien berücksichtigt, vermeidet teure Umbauten und senkt dauerhaft Betriebskosten und Umweltbelastungen.