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Einfacharbeit: Warum Angelernte und Aushilfen trotz mangelnder Wertschätzung unverzichtbar sind

19.09.2025 | Handwerk-Magazin

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Von Friedhelm Kring

Zugehörige Themenseiten: 
Arbeitsschutz und Gesundheit, Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle, Auftragsabwicklung, Auftragsspitzen, Fachkräftemangel, Lohn- und Gehalts-Check, Mitarbeitermotivation und New Work

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat im Mai 2025 einen Bericht zur „Arbeits- und Gesundheitssituation von Erwerbstätigen in der Einfacharbeit“ vorgelegt. Dabei geht es um die Lage von Beschäftigten ohne formale Ausbildung, die meist für niedrigqualifizierte Arbeiten eingesetzt werden. Charakteristisch für Einfacharbeit sind die folgenden Kriterien, häufig treffen gleich mehrere davon zu.

Einfacharbeit: Das sind die wichtigsten Kriterien
 

  • Es handelt sich um kurzfristig erlernbare Tätigkeiten, die keine abgeschlossene berufliche Ausbildung oder Qualifikation erfordern, ein „Training on the job“ genügt.
  • Die Arbeiten sind mit hohen körperlichen Arbeitsanforderungen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbelastungen verbunden.
  • Die Einfacharbeit findet zu ungünstigen Zeiten statt (Nacht-/Schicht-/Wochenendarbeit).
  • Die Entlohnung ist gering und unterdurchschnittlich.
  • Es handelt sich um monotone, standardisierte oder repetitive Tätigkeiten.
  • Die Beschäftigten haben einen geringen Handlungsspielraum sowie wenig Möglichkeiten zur Mitgestaltung.
  • Es gibt eine hohe Fluktuation an den Arbeitsplätzen.

Nach den Erkenntnissen der BAuA kommt hinzu, dass die Entwicklungs- und Aufstiegschancen für Einfacharbeitende meist gering sind. Auch Unterstützung in Form einer Interessenvertretung – etwa durch Betriebsräte – ist eher selten.

Präsenzpflicht und Schichtdienst: Warum Einfacharbeit nicht anspruchslos ist

Der in der Arbeitswissenschaft verwendete Begriff der Einfacharbeit ist hat mit den Anforderungen im Berufsalltag wenig zu tun. So weisen die BAuA-Forscher auf die teilweise komplexen Aufgaben der Einfacharbeitenden hin, etwa in der Interaktion mit Kunden oder Patienten. Die Tätigkeiten bestehen nicht stets allein aus körperlicher Arbeit, sondern benötigen oft auch kognitive und soziale Fähigkeiten. Dies kann mit hohen emotionalen Anforderungen verbunden sein, etwa dem Erfahren von Unfreundlichkeit oder gar Gewalt.

Auch profitieren Einfacharbeitende kaum von neuen Arbeitsformen und Arbeitserleichterungen wie Homeoffice oder mobilem Arbeiten. Stattdessen ist typischerweise Präsenzpflicht angesagt, nicht selten im Schichtdienst oder am Wochenende. Mittlerweile wird der Begriff Einfacharbeit immer öfter durch Basisarbeit ersetzt, um das Missverständnis, Einfacharbeit sei stets einfach, nicht weiter zu befördern.

Einfacharbeiter: Im Alltag kaum gesehen, dafür aber systemrelevant

Einfacharbeit oder Basisarbeit wird meist wenig wertgeschätzt. Der geringe Stellenwert von Einfacharbeit in der öffentlichen Wahrnehmung wird den tatsächlichen Anforderungen jedoch nicht gerecht. Denn viele der typischen Tätigkeitsfelder, etwa in Handel, Logistik oder dem Reinigungsgewerbe sind als systemrelevante Basisarbeiten essenziell für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft. Einfacharbeitende finden sich in den folgenden Bereichen:
 

  • für Dienstleistungen in Logistik und Lagerwirtschaft wie Packen, Sortieren, Kommissionieren oder auch bei Ladearbeiten und der Paketzustellung
  • in der Gebäude- und Industriereinigung
  • im sozialen Arbeitsumfeld, etwa für Pflegehilfsdienste in der Altenpflege und Krankenpflege sowie in der Erziehung
  • als Produktionshelfer, etwa in der Montage oder Verpackung
  • als Servicekräfte im Hotel- und Gastgewerbe, in der Zimmerreinigung, als Küchenhilfen sowie in der Spülküche
  • im Einzelhandel zum Auffüllen von Regalen oder an der Kasse
  • als Hilfsarbeiter auf dem Bau
  • als Erntehelfer in Landwirtschaft und Gemüsebau

Die sich wandelnde Arbeitswelt verändert nach Einschätzung der BAuA-Experten auch die Basisarbeit. Einfacharbeit in der Produktion nimmt ab, der Bedarf im Dienstleistungssektor dagegen wächst. Darüber hinaus entstehen immer wieder neue Aufgabenfelder wie etwa das Einsammeln von E-Scootern.

Einfacharbeit: Trotz Automatisierung weiterhin unverzichtbar

Laut einer 2024 veröffentlichten Studie der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund ist der Bedarf an Einfacharbeit weiterhin hoch. Einfacharbeit habe „einen zentralen Stellenwert für die wirtschaftliche Leistungserstellung und gesellschaftliche Integration.“ Dass immer mehr Maschinen, Roboter und automatisierte Systeme einfache Aufgaben übernehmen, ist nur die halbe Wahrheit.

Viele derartige Prophezeiungen, dass der Mensch bald von lästigen simplen Aufgaben befreit würde, haben sich bislang nicht erfüllt. Basisarbeit wird es auch weiterhin geben, aller Automatisierung zum Trotz. Das sollte jedem bewusst sein und nicht erst wieder bei der nächsten Pandemie thematisiert werden.

Gesund bis ins hohe Alter: für viele Einfacharbeiter undenkbar

Der aktuelle BAuA-Bericht moniert bei Basisarbeitern im Durchschnitt einen etwas schlechteren Gesundheitszustand sowie häufigere Muskel-Skelett Beschwerden im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen. Tendenziell nimmt die Gesundheit der Betroffenen mit zunehmender Dauer der Einfacharbeit ab. Körperliche Beschwerden wie Muskel-Skelett-Erkrankungen treten häufiger auf und es kommt eher zur Frühverrentung.

Die zunehmende Digitalisierung zeigt sich für Basisarbeiter – wenig überraschend – als zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es immer mehr und bessere technische Unterstützungsmöglichkeiten bei physisch anstrengenden Aufgaben. Gleichzeitig können jedoch die psychischen Belastungen, etwa durch Multitasking, steigen.

Ein Ziel der BAuA-Studie war auch, Möglichkeiten herauszuarbeiten, wie gerade die Gesundheit von Einfacharbeitenden bis ins hohe Alter gefördert und erhalten werden kann. Ihre Unsichtbarkei“ aufzuheben und Basisarbeit eine angemessene Anerkennung zu gewähren, beginnt bei der Unternehmensleitung. Auch das Sensibilisieren der unmittelbaren Vorgesetzten ist laut BAuA ein wichtiger Faktor.

Lob und Small-Talk: Soziale Unterstützung wichtiger als Präventionsprogramme

Die „soziale Unterstützung durch Kollegen“ sowie „ein hohes Maß an Autonomie“ sind laut BAuA die wichtigsten Ansatzpunkte, um das Bewältigen des Arbeitsalltags bei Basisarbeit zu erleichtern. Gegen die mangelnde Wertschätzung kann jeder etwas tun. Eine anerkennende Geste, ein lobendes Wort, ein Plaudern auf Augenhöhe – solche kleinen Schritte von Mensch zu Mensch im Arbeitsalltag bewirken auf Dauer mehr als großangelegte Präventionsprogramme und Gesundheitskampagnen.

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